4. Juni Orte der Aufklärung
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4. Juni Orte der Aufklärung
Am 4. Juni ziehen deutsch-nationale Burschenschafter unter dem Motto „Fest der Freiheit“ durch die Wiener Innenstadt. Diese Veranstaltung soll der Revolution von 1848 gedenken. Angemeldet wurde die Demonstration vom Verein „Forschungsgesellschaft Revolutionsjahr 1848“. Das „Fest der Freiheit“ steht für den Versuch von Ewiggestrigen, die Geschehnisse des Revolutionsjahrs 1848 für ihre Zwecke umzudeuten und zu instrumentalisieren.
Wir sehen dieser Verdrehung der Geschichte nicht tatenlos zu! Wir überlassen die Deutungshoheit des Vergangen nicht den Ewiggestrigen! Deshalb schafft das zivilgesellschaftliche Bündnis „Jetzt Zeichen setzen“ (www.jetztzeichensetzen.at), das sich aus über 30 Organisationen zusammensetzt, an drei Standorten in Wien „Orte der Aufklärung“, um über historische Hintergründe und Verdrehungsversuche zu informieren.
Orte der Aufklärung – Wege zur Demokratie
MORZINPLATZ 15.00 – 18.00 Uhr
Am Morzinplatz stand das Hotel Métropole, das 1938 von der Gestapo zu einem zentralen Ort der Organisation der Verfolgung im Zuge des NS Terrors in Wien gemacht wurde. Dieser Ort erinnert uns nicht nur an die Opfer der Verfolgungen, sondern auch an die Täter und jene, die aktive Rollen innerhalb des Regimes innehatten. Eine unübersehbare Zahl von ihnen war vor 1938 in Burschenschaften organisiert.
Wir stehen am Morzinplatz, um das Ablenkungsmanöver der Traditionslinie 1848 nicht zuzulassen und die Verstrickung der Burschenschaften in das NS System aufzuzeigen.
STEPHANSPLATZ 15.00 – 18.00 Uhr
Im Frühling 1848 wurde die sog. „Slawische Barrikade“ am Stephansplatz errichtet und die Wiener Innenstadt zu einem zentralen Ort der Revolution. Trotz der anfänglichen Erfolge wurden die demokratischen Bestrebungen niedergeschlagen und in Österreich zeichneten sich nur schwache Erfolge ab. Erst Jahre nach der gescheiterten Revolution wurden die heute bekannten rechtsextremen Burschenschaften gegründet. Dass gerade Wiener Burschenschaften das Jahr 1848 feiern wollen, verdeutlicht: Sie sind um einen Deckmantel für ihre antisemitische, rassistische und sexistische Gesinnung und Geschichte bemüht.
DENKMAL DER REPUBLIK 15.00 – 18.00 Uhr
Das Denkmal der Republik wurde am 12. November 1928 – zum zehnten Jahrestag der Proklamierung der demokratischen Republik – enthüllt. In dieser Zeit trugen deutsch-nationale Burschenschaften, die explizit als Hakenkreuzler und Nationalsozialisten auftraten, bereits zur Radikalisierung und zu militantem Antisemitismus bei. Die deutsch-nationalen Burschenschaften sind bemüht ihre Rolle und Verantwortung auf dem Weg Österreichs in den Nationalsozialismus zu verdecken. Doch bevor die österreichischen Burschenschaften 1938 behördlich aufgelöst wurden, gliederten sich in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund ein. Diese ungebrochene Kontinuität gilt es zu benennen.
Geschichtsrevisionismus „leicht gemacht“: Das „Fest der Freiheit“
Der gemeinhin als „bürgerliche Revolution“ dargestellte Aufstand war ein anfangs breiter gesellschaftlicher Protest gegen die absolutistisch herrschenden Monarchen. Die Revolution von 1848 war ein bedeutender Moment im Prozess hin zur Ersten Republik 70 Jahre danach.
Immer wieder stellen sich deutsch-völkische Burschenschaften und burschenschaftsnahe Organisationen in die historische Tradition von 1848, auch wenn viele von ihnen erst Jahre oder Jahrzehnte danach gegründet wurden. Durch ihren Geschichtsrevisionismus möchten sie ihre Funktion als Sammelbecken der Rechtsextremen unter dem Schleier der ‚toleranten Urdemokraten‘ verhüllen. Dabei versuchen sie auch ihr rechtsextremes Wertesystem über Begriffe wie „Freiheit“ zu legitimieren und eine öffentliche Akzeptanz zu erlangen.
Doch die Demokratisierung der Gesellschaft hin zum heutigen Parlamentarismus war ein komplexer, durch viele AkteurInnen geprägter Prozess. Ebenso ist die Revolution von 1848 vielfältiger gewesen als von den Ewiggestrigen dargestellt. Die erste Phase der Revolution war noch von einem ,klassenübergreifenden‘ Charakter gekennzeichnet. Doch der vermeintliche Konsens zerbrach und so eröffnete die bürgerliche Nationalgarde, in deren Tradition sich die Burschenschaften stellen, während der ‚Praterschlacht‘ in Wien das Feuer auf demonstrierende ArbeiterInnen. Auch wurden die Emanzipationsbewegungen politisch agierender Frauen belächelt, eingeschränkt und verboten. Zugleich war der Antisemitismus schon 1848 innerhalb jener Gruppen, als deren Nachfolger sich die Burschenschaften heute sehen, vorhanden. Insbesondere nach der gescheiterten Revolution erlangte der Antisemitismus immer größerer Bedeutung – Aspekte, die der rechte Geschichtsrevisionismus verschweigt oder verdreht.
Wir können und werden außerdem nicht vergessen, welche Rolle die deutsch-nationalen Burschenschaften vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeitgeschichte hatten: Sexismus, Rassismus und Antisemitismus präg(t)en ihr Handeln. Viele von ihnen wurden zu Akteuren im nationalsozialistischen Regime. So ist eine glaubhafte und vollständige Abgrenzung zum Nationalsozialismus angesichts der inhaltlichen, personellen und institutionellen Schnittmengen nicht möglich.
„Jetzt Zeichen setzen“ tritt aktiv gegen eine Umdeutung der Aufklärung, gegen eine rechtsextreme Interpretation demokratischer Werte und gegen die Ausgrenzungsideen in ‚freiheitlichen Phrasen‘ auf.
Wer wir sind:
„Jetzt Zeichen setzen“ macht sich für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, gegen rassistisches, antisemitisches und sexistisches Gedankengut, gegen rechte Hetze und gegen Diskriminierung und Gewalt stark. Wir sind ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus über 30 Organisationen, das die Gefahr von Rechts thematisiert und mit inhaltlicher Auseinandersetzung aufklären möchte.